Ehemalige PG-Schulleiterin Elfriede Neidlein feiert neunzigsten Geburtstag
„Wie geht es Ihnen?“ wird Elfriede Neidlein häufiger gefragt: „Ich bin zufrieden“, antwortet sie heiter gelassen und erzählt, dass sie zum 90.Geburtstag am15. Mai wieder einige Tage auf einer Reise mit ihren Söhnen sein wird. Das Lebensalter fordert einen gewissen Tribut, aber Elfriede Neidlein weiß sich zu helfen und nutzt die zur Verfügung stehendenHilfsmittel, um ihre körperliche und geistige Beweglichkeit bestmöglich zu erhalten. Was die Stöcke im Gelände für die Gangsicherheit bieten, leistet das wache Interesse an den Mitmenschen und den gesellschaftlich-politischen Themen für den Geist.
Ihre Leidenschaft für Pädagogik war die Grundlage ihrer blitzartigen beruflichen Karriere: Nach philologischen Studien in Tübingen und Dijon und mehrjähriger Lehrtätigkeit am Gymnasium Ehingen und am damaligen Aufbaugymnasium Ochsenhausen kam Elfriede Neidlein am 19.April 1966 an das damalige Progymnasium Biberach, das jetzige Pestalozzi-Gymnasium, wo sie die Fächer Englisch, Französisch und Deutsch unterrichtete. Schon vier Jahre später wurde sie zur Studiendirektorin befördert und übernahm die Leitung der Fachabteilungen Deutsch und Französisch. Nach weiteren zwei Jahren wurde sie stellvertretende Schulleiterin.
In dieser Funktion war Elfriede Neidlein maßgeblich am Auf- und Ausbau des Pestalozzi-Gymnasiums beteiligt. 1975 wurde Sie zur Schulleiterin des Pestalozzi-Gymnasiums bestellt.
Ihr beruflicher Werdegang ist im Rückblick tatsächlich sensationell:
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war damals keine offene Frage. Die Rollenverteilung in den Familien war weitgehend unstrittig.Von nicht wenigen wurde deshalb die Besetzung der Schulleiterstelle am Pestalozzi-Gymnasium mit einer Frau und mehrfachen Mutter argwöhnisch als riskantes Wagnis sowohl für die Qualität der Arbeit als auch für die Qualität der familiären Situation gesehen. Elfriede Neidlein, Pädagogin und vierfache Mutter, leistete als Pionierin auf diesem Feld Außergewöhnliches. Im Kreis der gymnasialen Schulleiter im Regierungsbezirk Tübingen war sie über viele Jahre die einzige Frau! Sie war eine Schulleiterin mit Herz und führte das Pestalozzi-Gymnasium in einem menschlichen, zutiefst pädagogischen Sinn und war damit ihrer Zeit weit voraus. Offensichtlich profitierten auch die Söhne. Alle vier haben das Abitur gemacht und danach ihr Studium abgeschlossen. Bis heute besuchen sie häufig ihre Mutter, bieten ihr Kulturprogramm und unternehmen mit ihr Ausflüge und Reisen.
Der gute Ruf des Pestalozzi-Gymnasiums wurde unter ihrer Leitung nicht nur erhalten, sie hat ihn nach Kräften gemehrt. Die vielseitigen Erfahrungen, die sie als berufstätige weibliche Führungskraft machen konnte, wurden zu einer zweiten Lebensaufgabe: Frauenförderung.
Nach ihrer Pensionierung wurde sie offiziell seitens des Regierungspräsidiums mit dieser Aufgabe betraut. Sie blieb ihr langfristig – auch noch viele Jahre im Ehrenamt – treu und war wieder sehr erfolgreich, wie man an derstetig wachsenden Zahl weiblicher Führungskräfte in den Schulen, auch im Gymnasium sehen kann, die in den Chancengleichheitsplänenfür den Regierungsbezirk Tübingen verzeichnet sind. Inzwischen sind mehr als ein Viertel der gymnasialen Schulleitungen und ein noch größerer Anteil der Führungskräfte in der erweiterten Schulleitung Frauen. Zur Würdigung ihrer großen Verdienste um die Frauenförderung im Land Baden-Württemberg wurde Elfriede Neidlein 2006 die Staufermedaille verliehen.