Spritzig und mit Tiefgang
Das Stück ist vielgestaltig: Groteske Partien, Traumsequenzen und zynische Karikaturen stehen neben verhaltenen, zarten Szenen voller Melancholie – wie beispielsweise die letzte Begegnung Peers mit der sterbenden Mutter Aase
Da müssen die jungen Spieler über ein großes Repertoire verfügen. Die Rolle der Aase (anrührend verkörpert von Harika Albrecht) ist facettenreich. Die Mutter ist gespalten zwischen zorniger Empörung über den scheinbar faulen Sohn und doch verliebt in seinen Charme, später schwankend zwischen Schwermut und Wiedersehens-Glück. Den 24 Spielern, z.T. in Mehrfachrollen, wird einige Variationsfähigkeit abverlangt.
Auch die Schauplätze wechseln auf abenteuerliche Weise: „Peer Gynt“ gleicht in manchem Goethes „Faust“. Es wird die Himmel- und Höllenfahrt eines jungen Träumers gestaltet, der alle seine Grenzen sprengen und sich dennoch an nichts und niemanden verlieren will und der am Ende grausam auf seine Unzulänglichkeit zurückgebogen wird. Das ist der rote Faden in den hart gegeneinander gesetzten Lebenssituationen, die jeden Realismus sprengen wie z.B. die turbulente Szene im Reich der Trolle (ausgezeichnete Choreografie im grellen Grünlicht mit Franziska Eckardt als zorniger, schriller Prinzessin und Benjamin Eckardt als Trollkönig).
Der groteske Klamauk wird von ständigen Lachern im Zuschauerraum begleitet, wie auch später der erotische Bauchtanz in nordafrikanischer Nacht. Diese und viele andere bühnenwirksame Szenen verdecken aber nie Ibsens bereits angedeutetes Grundmotiv, dass ein Ungestümer alles prüfen will, vor allem das Exotische, das wilde Land weit hinterm Spießertum, aus dem man nie ohne Blessuren heimkehrt. Er stürzt sich in Erfahrungen mit Frauen und flüchtet aus jeder Verantwortung. Selbst die innig Geliebten - die Mutter und Solveig (Ayla Laengerer) - verlässt er und kehrt erst spät, zu spät zurück.
Peer wird von drei Spielern verkörpert, der junge, der erwachsene, der alte. Martin Hack spielt den Traumtänzer jungenhaft (Bild rechts), ist charmanter Lügner und Angeber mit überbordendem Selbstbewusstsein, der ältere (Heiko Bertele, unten links mit roter Jacke) schon im Größenwahn, vollends schräg als rammeliger Prophet, der alte (Robin Ries, unten rechts mit roter Jacke) schließlich verarmt und entkleidet von allem Überschwang. Am Ende bleibt die Frage offen, ob Peers vielfache Häutungen ein gegründetes Selbst oder bloß Schalen und Leere übrig ließen.
Verdienter Beifall stand für Lebendigkeit, Witz, starke Bilder und die Spielfreude des großen Ensembles (es ist unmöglich alle Namen zu nennen) und die kluge Regie.Zum Erfolg trugen auch die Musik Griegs, gemixt mit Modernerem, sowie das Bühnenbild bei. Reduziert auf Weniges, das für viele Variationen herhalten kann, tritt es dezent zur Seite. Ein paar Aluminiumleitern und Malerböcke, mal metallisch glitzernd, mal mit Stoff verhängt, weisen auf Gebirge, Hütte, Wüstennacht und Schiffsbug. Aufwändig und leuchtend dagegen sind die Kostüme vor dem Schwarz der Samtvorhänge.
Ehemalige Mitspieler sind gute Kritiker. Einer, in der Truppe damals selbstbewusst, konnte es nicht lassen, in der Pause anerkennend zu grummeln, man brauche ihn wohl nicht mehr, die Nachgerückten könnten es grad so gut… Da hatte er recht. Schon bei den jüngsten Mitspielern blitzten starke Talente durch.
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