Schau:Spieler!

Diesen Titel gab die große Theater-AG ihren zwei Einaktern, die sie vom 28.01. bis 06.02.2011 aufführen.Es sind wirklich großartige Schauspieler, die unter der Regie von Ulla Reeder und Hubert Stöferle ihre Kunst sehr facettenreich auf der Bühne darbieten.

Ein enthusiastischer Hospitant (Nikolai Schmid) himmelt alle Schauspieler an und ist am Ende des Gespraechs auch gluecklich, obwohl er von der gelangweilten Schauspielerin (Stefanie Kunath) nur abgedroschene Phrasen als Antwort auf seine Fragen bekommt.

Auf den ersten Blick koennte man meinen, dass "Gretchen 89FF" von Lutz Huebner und "Der gruene Kakadu" von Arthur Schnitzler wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, doch im Laufe des Abends wird den Besuchern dann allmaehlich klar, dass es, wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise, jeweils um das Stueck, das Schauspiel und die Wirklichkeit geht - und in beiden Faellen stellt sich die Frage, was ist Spiel und was ist Wirklichkeit?Bei Lutz Huebner geht es um die Inszenierung der Gretchenszene aus Goethes Faust, aber 10 Paare zeigen, wie unterschiedlich Regiseur und Schauspielerin damit umgehen koennen.


Der revolutionaere Regisseur (Viola Winghart), der wahres Leben nur im Schmerz erkennt, setzt seiner zart besaiteten Schauspielerin (Rosalia Zeising) maechtig zu.
Sex, drugs and Rock and Roll: in Mick Jagger Manier versucht dieser Regisseur (Benjamin Eckardt) sein Gretchen (Ayla Laengerer) dazu zu bringen, sich auf der Buehne hemmungslos auszuleben, was diese ueberhaupt nicht anturnt.
Nouvelle Cuisine im Theater bietet der existenzialistische Regisseur (Robin Ries), der sein Gretchen (Shannon Korff) zur Verzweiflung treibt, indem er ihren Text bis auf ein sehr uebersichtliches Haeppchen zusammenstreicht.
Die Emanzen-Dramaturgin (Anne Gleich) zeigt eine besondere Variante der Frauen Quote: Sie laesst naemlich das Gretchen von einem Mann (Niklas Gaebler) spielen, allerdings wuerde der aufgrund seiner Geldsorgen wohl vieles mit sich machen lassen.
Ein Wiener Tourneehengst, hinreissend schmierig gespielt von Jan Basarab, hat mit seinem Schmaeh sicherlich schon manche Schauspielerin herumgekriegt. Diesmal versucht er sich an der sich noch wehrenden Gretchen-Darstellerin (Harika Albrecht).
Die theatralisch über- ambitionierte Anfaengerin (Marie Chavillie) geht dem Jet-Set Regisseur (Martin Hack) ganz schoen auf die Nerven.
Die zickige Schauspieldiva (Julia Jarosinska) laesst ihrem gutmuetigen Regisseur (Michael Hack) nicht den Hauch einer Chance, seine Ideen einzubringen.
Die neidisch geifernde Provinzschauspielerin (Dorothee Branz) beschimpft endlos eine erfolgreichere Kollegin, was ihre mit grundschulhafter Begeisterung bastelnde Regisseurin (Katrin Trupp) jedoch ziemlich kalt laesst.
Das Volk auf der Strasse ist gerade im Begriff, die Bastille zu stuermen, wie wir von dem Philosophen Grasset (Jan Basarab) und dem trinkenden Schneider Lebret (Martin Hack) erfahren.

Der eher minimalistische erste Teil vor der Pause wird abgeloest von dem rauschhaft oppulenten Theaterspektakel, wie es Schnitzlers Groteske darstellt. Allabendlich findet in der Kneipe "Zum Gruenen Kakadu" ein seltsames Schauspiel statt.

Die Adligen von Paris (Florian Hatzing und Tamara Bauch), im Hintergrund der Herzog von Cadignan (Felix Zeller) erfreuen sich an den leichten Maedchen ebenso wie an den dargebotenen Stuecken.
Der Star der Truppe, Henri (Heiko Bertele) erzaehlt dem Wirt von seiner Hochzeit mit der allen bekannten Schauspielerin Leocadie.
Ein schwungvolles und zu revolutionaeren Taten bereites Publikum: Guillaume (Shannon Korff), Jules (Dorothee Branz), Scaevola (Viola Winghart) und der Verbrecher Grain (Benjamin Eckardt).
Severine, die Marquise von Lansac (Marie Chavillie) interessiert sich mehr fuer den Dichter Rollin (Michael Hack) als für ihren Mann (Rebecca Waechter).
Die grosse Spielfreude war allen Schauspielern anzumerken.
Wie viel Probenaufwand hinter einer solchen Auffuehrung steckt, laesst sich erahnen, wenn man sieht, wie viele Personen sich auf der Buehne bewegen, ohne sich dabei in die Quere zu kommen, und sich in sehr rascher Abfolge und in wechselnden Konstellationen ins Geschehen einbringen.
Es gelingt den beiden Regisseuren immer wieder eine gute Mischung aus jungen und erfahreneren Schauspielern zu begeistern, und diese Begeisterung wird auch auf der Buehne sichtbar. Und mal ehrlich: welcher junge Mann wollte hier nicht die Rolle des Maurice spielen.Mit dem Strumpfband als Beute wird Maurice (Robin Ries) heftig umschwaermt von Flipotte (Julia Jaroskinska) und Michette (Stefanie Kunath).
Henri berichtet, wie er den Liebhaber seiner Frau umgebracht hat, aber gehört das noch zum Spiel, oder ist es Realitaet?
Solchermaßen verwirrt bekommen die Adligen Angst vor dem Volk, an dessen Aufsaessigkeit sie sich noch ergoetzen konnten, solange sie sie fuer gespielt hielten.
Als er vom Verhaeltnis seiner Frau mit dem Herzog von Cadignan erfaehrt, wird aus dem Spiel Realitaet und Henri ersticht seinen adligen Nebenbuhler.
Was ist Spiel und was ist Wirklichkeit? Diese Ebenen vermischen sich immer mehr, auch weil sie von den Figuren nicht mehr auseinandergehalten werden koennen. Schliesslich ruft die Marquise spielerisch nach der Freiheit, waehrend draussen das Volk von Paris die Bastille stuermt und Revolution macht.So schloss sich der Kreis der beiden Stuecke und der Vorhang fiel.Der Dank fuer eine sehr starke Leistung der gesamten Theater-AG war ein lang anhaltender Applaus des Publikums.

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