Pestalozzi-Gymnasium und Jugendkunstschule bringen „Oliver“ auf die Bühne

Mit einer aufwendigen Musicalproduktion haben die Jugendkunstschule und das Pestalozzi-Gymnasium Biberach in diesem Schuljahr ihre erfolgreiche Kooperation, die letztes Jahr mit "Die Werkstatt der Schmetterlinge" begonnen hatte, fortgesetzt.

Mit der aufwendigen Musicalproduktion „Oliver“ starten die Jugendkunstschule und das Pestalozzi-Gymnasium Biberach in das Schuljahr 2014/15. Das Musical von Lionel Bart nach dem Roman Oliver Twist von Charles Dickens feiert am Samstag, 27. September, um 19.30 Uhr Premiere in der Stadthalle Biberach. Regie und musikalische Leitung hat der gebürtige Biberacher Dirigent Christoph Hagel übernommen, der sich in den vergangenen Jahren in der Berliner Kulturszene einen großen Namen gemacht hat.

Der Gegenwartsbezug
Bevor der Vorhang sich hob, führten drei Schüler der 10. Klasse (Luca Rolser, Berke Kilic und Dominik Hofmaier) hin zu Charles Dickens Klassiker: Mit Bezugnahme auf Kindersoldaten in Afrika oder Kinderarbeitern in Pakistan gelang den dreien ein sinnvoller Gegenwartsbezug. Unterstützt wurden sie dabei von Kathrin Speh (Abitur 2014), die in einem Filmbeitrag ihre Arbeit mit Straßenkindern in Ecuador thematisierte.

Das Stück
Die Geschichte des kleinen Waisenjungen Oliver Twist zeigt eindrücklich der Folgen der Industrialisierung im England des 19. Jahrhunderts: Oliver wächst in einer Welt, die von Kinderarmut und -ausbeutung geprägt ist, auf. Unmittelbar nach der Geburt stirbt Olivers Mutter, so dass das namenlose Kind in ein Armenhaus eingeliefert wird. Der gestrenge Heimleiter Mr. Bumble (beeindruckend gespielt und gesanglich auf hohem Niveau dargeboten von Wolfgang Ernst) gibt ihm den Namen Oliver Twist.

Elias Kibler (Klasse 7d) ist die Idealbesetzung für die Hauptrolle: Zurückhaltend, fast schon schüchtern, aber doch mit Nachdruck verleiht er seinem Oliver Ausdruck und Glaubwürdigkeit. Ulla Reeder, eben erst pensionierte PG-Lehrerin und jahrzehntelange Leiterin der großen Theater-AG, mimt die Rolle der Köchin Mrs. Corney; als diese bringt sie den Kindern die tägliche Haferschleimsuppe. Die Kinder quittieren das mit „Brot, herrliches Brot“, gesungen vom Unterstufenchor von Thomas Dilger. Als Oliver sich erdreistet nach mehr zu verlangen, wird er von Mr. Bumble mit donnernder Stimme aus dem Armenhaus verwiesen und verkauft.
Oliver landet beim Leichenbestatter Mr. Sawerberry und dessen Frau. Die Nacht muss er dort zwischen Särgen verbringen und besingt mit „Wo ist Liebe“ melancholisch die Sehnsucht nach seiner verstorbenen Mutter. Nachdem er sich mit dem Lehrling Noah (gespielt von Elias’ Klassenkamerad Luca Wetterau) eine Schlägerei geliefert hat, flieht er nach London. Aber auch dort wartet nicht das ersehnte Glück: Er freundet sich zwar mit dem gleichaltrigen Dodger (Hannes Bopp) an. Aber das sorglose, fröhliche Fußballspiel ist nur eine kurze glückliche Episode.
Im Keller des undurchsichtigen Mr. Fagin (Anton Fuchs zeigt in dieser Rolle die Höchstleistung des gesamten Ensembles!) wird er in die neue Gesellschaft aufgenommen – in eine kindliche Diebesbande. Sie gibt Oliver zwar so etwas wie eine neue Heimat, aber er lernt eben auch, „die krummen Finger schön lang zu machen“, d.h., das Handwerk eines Diebes.
Zudem macht er erste Bekanntschaft mit Bill Sikes, dem „Oberfiesling“; Valerian Dilger, Sohn unseres Musiklehrers Thomas Dilger, brilliert hier wieder – wie bereits in „Die Werkstatt der Schmetterlinge“ – vor allem durch seine stimmliche Sicherheit. Seine Geliebte Nancy (gesungen und gespielt von Katharina Quast, die auch in der „Schmetterlingswerkstatt“ Valerians Partnerin war) ist der Liebling der Kinder und spielt mit ihnen „Graf und Gräfin in der Kutsche“.
Die Londoner Waschfrauen ziehen Oliver in ihren Bann
Mr. Fagin (Anton Fuchs) und Bill Sikes (Valerian Dilger) haben Oliver wieder in ihren Fängen
Auf der ersten Diebestour wird Oliver gleich geschnappt und kommt ins Haus von Mr. Brownlow. Der – gespielt von Hubert Stöferle, der zusammen mit Ulla Reeder die große Theater-AG geleitet hat, – entwickelt eine Freundschaft zu Oliver und nimmt ihn bei sich zuhause auf. Davon bekommt Bill Sikes Wind und will ihn, bevor er sich „verplappern“ kann, entführen. Seine Freundin Nancy stellt sich dagegen, kann sich aber nicht durchsetzen. Zeitgleich schickt Mr. Brownlow Oliver mit fünf Pfund in der Tasche zu einem Buchhändler – ein Vertrauensbeweis. Die Bande von Mr. Fagin fängt Oliver aber ab und bringt ihn gewaltsam zu Bill Sikes.
Trotz der Tatsache, dass Oliver nicht heimkehrt, ist Mr. Brownlows Glaube in Oliver unumstößlich: Er weiß nun, dass Oliver der Sohn seiner Tochter Agnes ist, also sein Enkel. Nancy, getrieben vom schlechten Gewissen, eilt zu Mr. Brownlow und bitte ihn, nachts zur London Bridge zu kommen. Dort kommt es dann zu Showdown. Statt auf Mr. Brownlow trifft sie auf Bill, der sie rasend vor Wut erschlägt. Als Mr. Brownlow am Tatort eintrifft, entsteht ein Tumult: Mr. Fagin verliert seine Juwelen, Bill Sikes aber, als er mit Oliver auf die London Bridge flieht, findet tödlich getroffen sein Ende in den Fluten der Themse.
Nancy (Katharina Quast, im roten Kleid) beschert den Jungen eine unbeschwerte Zeit
Die Rosenverküferinnen (Carina lebherz, Viana Richter und Kathrin Steinhauser) und der PG-Unterstufenchor unter Leitung von Thomas Dilger

Die Inszenierung
Christoph Hagel gelingt mit der Inszenierung des angelsächsischen Klassikers „Oliver“ eine eindrückliche Umsetzung des Themas in die Gegenwart. Der Unterstufenchor des Pestalozzi-Gymnasiums unter Leitung von Thomas Dilger als Kern der diesjährigen Kooperation zwischen Juks und PG hat daran maßgeblichen Anteil: Er führt wie ein roter Faden durch das Geschehen, auch wenn er nur selten auf der Bühne präsent ist. Thomas Dilger als spiritus rector dieser Zusammenarbeit ist dabei nicht hoch genug zu loben: Bei aller Belastung (gerade am Schuljahresanfang und auch mit anderen Chorprojekten) hat er seine Mädchen und Jungs immer im Griff. Dass dahinter sehr viel Probenarbeit steckt, lässt sich leicht denken.


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